Stuttgart – „Batman ist praktisch unverwundbar, echte Fledermäuse haben es leider deutlich schwerer: Die Hälfte der 27 in Deutschland nachgewiesenen Arten sind vom Aussterben bedroht oder gefährdet. Deswegen engagieren wir uns als NABU-Landesverband in einem bundesweiten Projekt für den Schutz und die Förderung der Mopsfledermaus – gemeinsam mit der Landesforstverwaltung und mit finanzieller Unterstützung des Bundesumweltministeriums, des Landesumweltministeriums und des Ministeriums für Ländlichen Raum“, sagt der NABU- Landesvorsitzende Johannes Enssle. Die weiteren Verbundpartner des Projektes sind die Stiftung FLEDERMAUS (Projektkoordination), die Naturstiftung David, der NABU Niedersachsen sowie die Universität Greifswald.
Umweltminister Franz Untersteller MdL erläutert die Ziele des sechsjährigen Projekts: „Die Mopsfledermaus hat ihren europäischen Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland. Für ihren Schutz haben wir deshalb eine besondere Verantwortung. Wir wollen mehr darüber herausfinden, wo die Mopsfledermaus in Deutschland und bei uns im Südwesten lebt, wo sie überwintert und wo sie sich fortpflanzt. Dieses Wissen wollen wir dann nutzen, um passgenaue Schutzmaßnahmen zu entwickeln und diese gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort umzusetzen“, so Untersteller.
Forstminister Peter Hauk MdL ist stolz auf dieses besondere Projekt: „Unsere Wälder in Baden-Württemberg sind Multitalente: Sie liefern nicht nur den umweltfreundlichen Rohstoff Holz und sind Arbeitsplatz und Einkommensquelle für viele im Wald Beschäftigte. Sie sind auch ein wichtiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Die Mopsfledermaus ist eine typische Waldfledermaus. Sie ist auch eine der 124 Waldzielarten im Artenschutzkonzept unseres Staatsforstbetriebs ForstBW. Das Projekt ergänzt daher in idealer Weise unsere Bemühungen zum Schutz und Erhalt der Artenvielfalt im Wald.“
Bund und Land fördern millionenschweres Projekt für sechs Jahre
Das Verbundprojekt wird im Rahmen des Bundesprogramms zur Biologischen Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie weiteren Partnern auf Länderebene mit einer Gesamtsumme von mehr als fünf Millionen Euro gefördert. Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Dr. Beate Jessel, überreichte den Fördermittelbescheid beim feierlichen Projektauftakt am 13. Mai 2019 im Festsaal des Schlosses Frankenhausen (Thüringen) am Fuße des fledermausreichen Kyffhäusers.
Der Anteil für Baden-Württemberg liegt bei mehr als 850.000 Euro. Daran beteiligen sich zwei baden-württembergische Landesministerien: Das Umweltministerium finanziert 15 Prozent, das Ministerium für Ländlichen Raum mit ForstBW und der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt fünf Prozent. Der NABU Baden-Württemberg steuert fünf Prozent der Summe aus eigenen Mitteln bei.
Projekt erstellt bundesweite Mopsfledermaus-Karte
In den kommenden Monaten wollen die Projektbeteiligten mehr über bekannte Vorkommen der Mopsfledermaus erfahren und möglicherweise bisher unbekannte Kolonien entdecken. Dazu werden Vertreterinnen und Vertreter aus Forstwirtschaft, ehrenamtlichem Naturschutz und der Wissenschaft spezielle Geräte – sogenannte Batcorder – an geeigneten Stellen im Wald aufhängen. Diese Aufnahmegeräte zeichnen über mehrere Tage hinweg die nächtliche Geräuschkulisse im Wald auf. Was Menschenohren nicht wahrnehmen können, machen diese Geräte hörbar: Wenn eine Mopsfledermaus im Waldesinneren oder über den Baumkronen Kleinschmetterlinge jagt und dazu ihren hohen Ortungslaut im Ultraschallbereich ausstößt, lässt sich das über die Tonaufnahmen nachweisen.
Diese Daten fließen dann zusammen, ergänzt um Informationen zur Waldstruktur in den Regionen mit bekannten Vorkommen. „Eine besondere Leistung des Projekts wird es sein, dass wir erstmals eine bundesweite Karte über die Lebensräume der Mopsfledermaus erstellen können. In einzelnen Modellregionen wollen wir dann gemeinsam mit unseren forstlichen Partnern gezielt Schutzmaßnahmen im Umkreis bekannter Vorkommen umsetzen. Dazu gehören unter anderem der Erhalt von Alt- und Totholz im Wald und die Flächensicherung durch Nutzungsverzicht. Außerdem wollen wir das Nahrungsangebot verbessern, indem wir Hecken, Kleingehölze, blütenreiche Wegsäume oder Waldtümpel anlegen. Mit Schulungen, Exkursionen und Tagungen informieren wir die breite Öffentlichkeit und das Fachpublikum“, erklärt Johannes Enssle.
Steckbrief: Die Mopsfledermaus
Die Mopsfledermaus verdankt ihren Namen der platten Nase. Weitere typische Merkmale sind die eng zusammenstehenden Ohren und die hellen Haarspitzen. Sie ist eng an reich strukturierte Wälder mit einem hohen Totholzanteil und alten Bäumen gebunden. Dort nutzt das Säugetier Spalten wie abstehende Rindenschuppen von abgestorbenen Bäumen im Frühjahr und Sommer als Quartier: In sogenannten Wochenstuben ziehen zwischen zehn und 20 Weibchen ihre Jungen gemeinsam auf. Manchmal nutzt die Mopsfledermaus dazu auch Spalten hinter Fensterläden von Häusern oder Holzverkleidungen von Scheunen. Ihren Winterschlaf verbringt sie in Höhlen, Kellern und alten Bunkeranlagen. Diese Quartiere gingen von den 1950er-Jahren bis in die 1970er an vielen Orten verloren, der Bestand der Art brach dramatisch ein.
Die Mopsfledermaus ernährt sich vorwiegend von Nachtfalterarten, insbesondere Kleinschmetterlingen – deshalb leidet sie besonders unter dem Rückgang der Insektenvielfalt. Weitere Gefährdungsfaktoren sind die Zerschneidung der Landschaft durch Verkehrstrassen und Siedlungen sowie niedrige Anteile an Alt- und Totholz in Wäldern. Der bundesweite Erhaltungszustand der Art gilt als ungünstig. Vorkommens-Schwerpunkte in Baden-Württemberg sind das Alb-Wutach-Gebiet sowie die Landkreise Ostalb, Neckar-Odenwald und Zollernalb.