Axel Krannich ist Diplom-Landschaftsökologe und seit 14 Jahren für das Hessische Institut für Tierökologie und Naturbildung als Fledermauskundler nachts in Deutschlands Fluren unterwegs. Im Auftrag unseres Projekts ist er in Hessen sowie auf Flächen des Nationalen Naturerbes der seltenen Mopsfledermaus auf der Spur.
Herr Krannich, warum sind Sie Fledermausforscher geworden, woher rührt Ihr Engagement für diese Tiere der Nacht?
Meine Faszination für diese Tiergruppe wurde schon in der Kindheit im Naturschutzverein während Exkursionen und Winterquartierkontrollen geweckt. Fledermäuse besitzen einige bemerkenswerte Eigenschaften und Fähigkeiten, die ihnen eine nahezu weltweite Verbreitung ermöglichten. Sie sind die einzigen Säugetiere, die aktiv fliegen können. Lautlos manövrieren sie durch die finstere Nacht und orientieren sich per Echoortung im für uns nicht hörbaren Ultraschallbereich. Durch ihre heimliche Lebensweise sind viele Aspekte bis heute noch gar nicht bis ins Detail bekannt und viele Fragen nach wie vor offen. Mit unserer Arbeit wollen wir dazu beitragen, das Wissen ständig zu erweitern und diese Tiergruppe zu schützen.
Was interessiert oder gar fasziniert Sie speziell an der Mopsfledermaus?
Die Mopsfledermaus hat in den Jahren von 1950 bis 1970 enorme Bestandseinbrüche erlitten und konnte seitdem in vielen Regionen nicht mehr nachgewiesen werden. Die Rückgänge sind vermutlich auf massive Pestizideinsätze in den Wäldern zurückzuführen, die die Nahrungsgrundlage – hauptsächlich Nachtfalter – dieser stark spezialisierten Fledermausart zerstörten. Erfreulich sind die Beobachtungen aus den letzten 30, v.a. letzten rund 10 Jahren mit neuen Winternachweisen und Funden von Wochenstubenkolonien. Die Art weist aktuell wieder einen positiven Bestandstrend auf und das setzt sich hoffentlich weiterhin fort. Diese Wiederbesiedelung zu begleiten, dabei mehr über die Ökologie und Lebensraumansprüche der Mopsfledermaus in Erfahrung zu bringen und das erworbene Wissen in Artenhilfs- bzw. Schutzmaßnahmen einfließen zu lassen finde ich sehr spannend.
Wie fühlte es sich an, das erste Mal eine Mopsfledermaus in den Händen zu halten?
Natürlich freut man sich darüber sehr! Das gilt auch heute noch für jeden Netzfangnachweis einer Mopsfledermaus, zumal dies nach wie vor selten vorkommt, es sei denn, es läuft eine gezielte Untersuchung dieser Fledermausart wie im laufenden Verbundprojekt. Durch das Ausbringen von akustischen Erfassungsgeräten und die Auswertung der Aufnahmen erfolgen hier gezielt Netzfänge.
Außerdem ist es eine hübsche Fledermausart! Das Gesicht ist durch die mopsartig gedrungene Schnauze sehr markant, das Fell lang und seidig.
Welche Erlebnisse oder Begegnungen mit der Mopsfledermaus aus der letzten Feldsaison sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben und warum?
Da muss ich vor allem an unsere Untersuchung in der DBU-Naturerbefläche Daubaner Wald im Biosphärenreservat Oberlausitzer Teich- und Heidelandschaft denken. Hier haben wir in 2020 eine Rastererfassung an 52 Aufnahmepunkten mit akustischen Erfassungsgeräten durchgeführt und konnten an 27 Punkten Rufe der Mopsfledermaus nachweisen. Im Bereich einer Wegekreuzung im Umfeld von einem akustischen Aufnahmepunkt mit vielen Rufnachweisen der Mopsfledermaus haben wir dann Mitte Juli 2021 an einem Abend einen Netzfang durchgeführt.
Unmittelbar nach Sonnenuntergang konnten innerhalb kurzer Zeit zehn Mopsfledermäuse gefangen werden. Sechs laktierende Weibchen wurden für eine Raumnutzungstelemetrie mit einem Mini-Sender ausgestattet und anschließend über mehrere Nächte beobachtet. Erstaunlich war, dass alle Sendertiere räumlich deutlich getrennte Quartierbereiche aufsuchten und innerhalb dieser auch ihr Quartier wechselten. Die Quartierbereiche lagen zwischen 1 und 8 km entfernt vom Fangort. Die durch Ausflugsbeobachtung jeweils ermittelten Gruppengrößen umfassten zwischen acht und 14 Individuen. Während der gesamten Beobachtungszeit konnte kein Überflug von einem in einen anderen Quartierbereich eines anderen Sendertiers beobachtet werden. Bemerkenswert war jedoch, dass wir aber während der nächtlichen Telemetrie zur Erfassung der Jagdgebiete in mehreren Nächten dokumentieren konnten, dass alle Sendertiere zum selben Zeitpunkt am Fangplatz auftauchten und sich hier eine Zeit lang aufhielten.
Was können Sie aus diesen Begebenheiten für Rückschlüsse auf die Art oder das Schutzprojekt zur Mopsfledermaus ziehen?
Die Ergebnisse sind sehr spannend und deuten an, dass die räumliche und soziale Organisation der Mopsfledermaus sehr komplex und noch nicht vollständig verstanden ist. Auf Basis der bis jetzt vorliegenden Ergebnisse lässt sich nicht sicher sagen, ob die Sendertiere alle einer Wochenstubenkolonie zugehören oder ob es mehrere separate Kolonien sind. Hierzu erhoffen wir uns Erkenntnisse aus der laufenden genetischen Analyse.
An dem Beispiel wird deutlich, dass Mopsfledermäuse große Räume integrieren und hochmobil sind. Die in Dauban registrierte maximale Ausdehnung eines individuellen Aufenthaltsgebiets betrug 12,7 km. Ausgehend vom Quartierstandort – in Dauban überwiegend Rindenspalten v. a. an Eichen, Fichten und Kiefern – ist als Jagdgebiet neben unterschiedlichen Waldflächen und Waldwiesen vor allem durch Bäume, Baumreihen und Hecken sowie Gewässer strukturiertes Offenland bedeutsam. Am Quartierstandort wie auch in den als Nahrungsraum dokumentierten Lebensraumrequisiten kann mit Schutzmaßnahmen für die Art angesetzt werden.